Cannabis-Gesetz

Seit einigen Tagen erreichen mich viele Anfragen zum Thema Cannabis-Gesetz. Deshalb möchte ich mich dazu hier äußern:

Ich stehe zum Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP. Dort wurde vereinbart:

„Wir führen die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften ein. Dadurch wird die Qualität kontrolliert, die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert und der Jugendschutz gewährleistet. Das Gesetz evaluieren wir nach vier Jahren auf gesellschaftliche Auswirkungen. Modelle zum Drugchecking und Maßnahmen der Schadensminderung ermöglichen und bauen wir aus.“

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung weicht von dieser Vereinbarung in vielen Punkten sehr weitreichend ab. Wichtigster Punkt der Abweichung ist, dass der private Anbau legalisiert werden soll statt eine Abgabe in lizensierten Geschäften zu ermöglichen. Das war so nicht im Koalitionsvertrag vereinbart. Vereinbart war eine kontrollierte Abgabe in durch staatliche Stellen zugelassenen Geschäften. Dadurch hätte der Markt und auch die Qualität des Produktes kontrolliert werden können. Die Kontrolle wäre für die Behörden zu leisten gewesen. Das ist mit dem nun vorgeschlagenen Eigenanbau nicht der Fall!

Die Erlaubnis, drei Pflanzen pro Erwachsenem aufziehen / besitzen zu dürfen, wird ebenso wie alle damit verbundenen, neuen Regelungen nicht kontrolliert werden (können). Das gilt auch für die Erntemenge, die in der Wohnung aufbewahrt werden dürfte. Nach aktuellem Stand wären das pro Erwachsenem 50 g, also Stoff für ca. 150 Joints. Hinzu kommt ein weiterer Problemkreis: Wird die im Gesetz erlaubte Erntemenge zu gering angesetzt, zwingt dies den legal handelnden Cannabisliebhaber dazu, entweder mehr zu konsumieren oder die überschüssige Ernte zu vernichten (Abwasser, Hausmüll?). Für nicht Gesetzestreue kommt eine (verbotene) Weitergabe (gegen Geld) in Betracht. Wird die erlaubte Erntemenge höher angesetzt, besteht ebenso das Risiko einer Weitergabe.

Wenn nur ein Prozent der Privathaushalte (nicht der Erwachsenen) von der Erlaubnis Gebrauch machte und 50 g (getrocknetes) Cannabis vorhielte, entspräche das 20 Tonnen, die in Privathaushalten lägen. Realistisch wäre auch ein 1 kg Ernteertrag pro Jahr möglich. Diese Menge würde der des kompletten deutschen Marktes entsprechen (= ca. 400 Tonnen / Jahr). Schätzungen von Experten aus dem Bereich der Medizinalcannabisherstellung erachten solche Erntemengen für realistisch. Hiermit einher ginge nebenbei bemerkt ein beträchtlicher zusätzlicher CO2-Ausstoß, da erfolgreiches „Homegrowing“ den Einsatz erheblicher Energiemengen (u.a. energieintensive Beleuchtung) bedarf.
Grenzen des THC-Wertes sind, anders als bei den „Social Clubs“, im Privatanbau nicht vorgesehen. Auch das spricht für eine unkontrollierte Weitergabe der hausgemachten Produkte.

Nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden würde das Gesetz zusätzliche Aufgaben und Aufwendungen für die Strafverfolgungs- und Ordnungsbehörden der Länder in Form von Personal und Sachkosten nach sich ziehen. Viele Unschärfen würden zudem umfangreiche Abstimmungsverfahren zwischen den Ländern erfordern, um sicherzustellen, dass möglichst einheitliche Verfahrensregelungen in den Ländern etabliert werden.

Auch der Deutsche Richterbund weist auf Mehrbelastungen der Justiz hin.

Die Innenministerkonferenz ( hat in ihrer 220. Sitzung vom 06. bis 08.12.2023 daher einen einstimmigen Beschluss gefasst, der u.a. feststellt, dass das Gesetzgebungsvorhaben „hohe Anforderungen und Aufwände für die Strafverfolgungs- und Ordnungsbehörden in Bund und Ländern durch Überwachungs-, Sanktionierungs-, und Präventionsaufgaben“ nach sich ziehen würde. Insbesondere hätte das Gesetz „gravierende negative Auswirkungen auf die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität, auf den Kinder und Jugendschutz, im Bereich des Gesundheitsschutzes sowie der inneren Sicherheit“. Vor dem Hintergrund der „zu erwartenden negativen Folgen“ spricht sich die IMK „deutlich gegen dieses Vorhaben aus“.

Außerdem halte ich es für falsch, die Modellprojekte erst nach der Legalisierung anzugehen. 

Jugendschutz

Konsumverbotszonen, die in einem Luftlinienradius um Spielplätze, Schulen etc. eingegrenzt werden, lassen sich durch die Polizei in der Praxis nicht ohne erheblichen Aufwand kontrollieren. Das gilt für 200-Meter-Abstände genauso wie für einen Abstand in der Größenordnung der „Sichtweite“ (entspricht 100 m). Im Vergleich zu vorher wurden nun der Bereich, in dem konsumiert werden dürfte, sogar noch näher an Orte herangeführt, an denen sich Kinder aufhalten.
Ob und inwieweit Kommunen eigene Konsumverbotszonen-Regelungen erlassen dürfen, ist unklar. Aktuell gibt es erhebliche rechtliche Probleme für Kommunen, rechtssicher Alkoholverbotszonen einzurichten. Die Gerichte haben das wiederholt nicht getragen.
Überdies gebe ich zu bedenken, dass die Auswirkungen eines fortan erlaubten Konsums im öffentlichen Raum, z.B. in Straßencafés, von allen Bürgerinnen und Bürgern – unvermeidbar auch von Kindern und Jugendlichen – „erlebbar“ werden würde. Einen Joint riecht man viele Meter weit.
Ja nach Anpassung oder Nicht-Anpassung der landesrechtlichen Nichtraucherschutzgesetze würde standardmäßig in Raucherkneipen (vgl. Berlin) gekifft werden dürfen.

Der Gesetzentwurf verbietet nachvollziehbar Cannabiskonsum in militärischen Anlagen. Mit einer analogen Begründung müsste Cannabiskonsum auf Flughäfen und allen anderen Einrichtungen / Anlagen der kritischen Infrastruktur bundesweit untersagt werden. Mit dem KRITIS-Dachgesetz verfolgen wir zudem das Ziel, erstmals einheitliche Standards in den Sektoren der kritischen Infrastruktur zu normieren. Ohne bundeszentrale Konsumverbote im Cannabiskontrollgesetz würden wir das Gegenteil erreichen: Einen Flickenteppich. Dass zudem noch nicht einmal die Anlagen der Sicherheitsbehörden des Bundes in die Bereichsausnahmen einbezogen werden, entzieht sich der Logik und ist nicht akzeptabel.

Ich stehe zur Entkriminalisierung von Cannabis. Wenn das Europarecht das nicht zulässt, dann ist es am besten, einen neuen Weg zu suchen. Der vorliegende Gesetzentwurf gefährdet vor allem junge Menschen und würde Polizei und Behörden in der Umsetzung überfordern. Vielleicht wäre eine Entkriminalisierung nach dem Vorbild Portugals möglich.

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