An jedem Dienstag in einer Sitzungswoche gehe ich am Porträt von Otto Wels vorbei. Er war Fraktionsvorsitzender im Reichstag und hat zusammen mit 93 SPD-Abgeordneten gegen das sogenannte „Ermächtigungsgesetz“ der Nazis gestimmt. 26 weitere SPD-Abgeordnete konnten an der Abstimmung nicht teilnehmen, weil sie ebenso wie die gesamte KPD-Fraktion entweder inhaftiert oder vor der Gewalt der Nationalsozialisten geflohen waren. In seiner Rede sagte Otto Wels den legendären Satz: „Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht.“
Am 15. September vor 150 Jahren wurde Otto Wels als Sohn eines Gastwirts in Berlin geboren. Am 16. September 1939 starb er im Pariser Exil.
Otto Wels war Arbeiter. Er hatte den Beruf des Tapezierers gelernt und sich früh für die SPD interessiert. Nach seinem Militärdienst vertrat er die Interessen der Tapezierer als Gewerkschaftssekretär. 1912 wurde er erstmalig in den Reichstag gewählt. In der Revolution des Jahres 1918 wurde er als Stadtkommandant Berlins kurzzeitig von revolutionären Matrosen festgesetzt. Als Mitglied der Nationalversammlung beteiligte er sich daran, die Weimarer Reichsverfassung zu erarbeiten. Als Parteivorsitzender der SPD stellte er sich an die Spitze des Generalstreiks gegen den Kapp-Putsch, mit dem die radikalen Rechtsextremisten die Weimarer Republik stürzen wollten.
Von 1920 bis 1933 War Otto Wels Reichstagsabgeordneter. Er half mit, das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold zu gründen, um die junge Weimarer Republik in einem überparteilichen, demokratischen Bündnis mit Liberalen und katholischem Zentrum gegen die Verfassungsfeinde zu verteidigen. Nach seiner Rede gegen die Nazis am 23. März 1933 musste Otto Wels nach Prag flüchten, wo er die Exilorganisation der SPD aufbaute. Später musste er sein Exil in Paris nehmen, wo er noch im gleichen Jahr starb.